Volkstrauertag 2006 Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewalt
 
Liebe Leiberstunger Mitbürgerinnen und Mitbürger, sehr geehrte Damen und Herren Vereinsvorsitzende!
 
Die Zeit der Gedenk- und Andachttage liegt nun wieder vor uns.Ein wichtiger Gedenktag hierbei ist ohne Zweifel der
 
Volkstrauertag, am Sonntag, dem 19.11.2006
 
Wie in den vergangenen Jahren auch, werden Kirchen- und die politischen Gemeinden den Opfern von Krieg, Vertreibung und Repression gedenken. Ich darf Sie alle recht herzlich hierzu einladen. Gemeinsam wollen wir, im Gedenken an die Opfer, beim Ehrendenkmal auf dem Friedhof einen Kranz niederlegen und in einer Gedenkminute verharren. Ehrenabordnungen der Leiberstunger Vereine unter Fahnenbegleitung, sowie eine kurze Ansprache, musikalisch umrahmt durch den Männergesang- verein 1875 Leiberstung e.V., werden diesem Gedenken den entsprechenden Rahmen geben.
 
Beginn der Gedenkveranstaltung, welche wir bei jeder Witterung durchführen werden, ist um 11.00 Uhr auf dem Friedhof Leiberstung.
 
Ich bitte Sie herzlichst, hieran teilzunehmen und somit diesem Gedenktag den gebührenden Stellenwert einzuräumen – ganz besonders gilt dieser Aufruf auch den Jugendlichen !
Naber -Ortsvorsteher
 
Ansprache zum Volkstrauertag 2006
von Ortsvorsteher Alexander Naber
 
"Wir bauen eine Atombombe "
 
"Besorgen Sie sich zunächst etwa 100 Pfund waffenfähiges Plutonium. Ordnen sie das Plutonium in zwei Halbkugel an, welche etwa vier Zentimeter voneinander entfernt sind. Um den Plutoniumsstaub zu den Halbkugeln Formen zu können, verwendet man einen handelsüblichen Kleber, z. B. Pattex. Nun besorgen Sie sich etwa 200 Pfund TNT, welches Sie auf den Halbkugel befestigen. Diese beiden Halbkugeln verstauen sie nun in einem Metallbehälter, welcher problemlos in einem VW-Käfer getarnt untergebracht werden kann. Lassen Sie nun aus sicherer Entfernung mit einem Zünder das TNT explodieren. Hierbei eignet sich besonders ein Sender für ferngesteuerten Modellautos. Durch die Explosion des TNT wird nun aus den Plutoniumkugeln die kritische Masse erzeugt, welche ihnen eine hübsche, 10 Megatonnen starke, thermonueklare Explosion beschwert. "
 
Was sich hier relativ einfach und lustig anhört, ist grundsätzlich der Plan, wie man eine Atombombe - diese gefährliche Waffe herstellen kann. Dieser Plan ist nicht aus einem Chemiebuch entnommen oder einem Comic-Strip, nein, sie steht in einer Internetseite, auf welcher sich noch zahlreiche andere Bauanleitungen für Bomben, Giftgaskanülen und weitere explosive Dinge befinden - der Verfasser dieser Internetseite selbst nennt diese Bauanleitungen: " lustige Kleinigkeiten für den täglichen Kampf gegen Terror, Polizeistaat oder Lehrer". Für den Verfassern ist das veröffentlichen dieser Baupläne ein lustiges Hobby, wie er selber auf der Internetseite reklamiert.
 
Warum spreche ich am heutigen Tag von solchen Dingen?
 
Vor 61 Jahren wurden die ersten Atombomben durch die USA über Hiroshima und Nagasaki gezündet und gegen Menschen eingesetzt. Dieser Bomben trugen die verharmlosenden Namen " Little Boy" und "Fat Man" - "kleiner Junge" und "Dicker Mann". Beide Sprengkörper zusammen löschten durch ihre Detonation über eine viertel Million Menschen aus - die meisten starben innerhalb weniger Sekunden, viele in den Folgejahren an den Strahlenschäden. Im Vergleich dazu starben in einer Nacht nahezu ebenso viele Menschen durch ein stundenlanges Bombardement mit konventionellen Waffen - ob nun in Dresden oder in Tokio - jedoch wurden dabei mehrere 1000 Sprengkörper zum Einsatz gebracht.
 
Seitdem ein Beginn der technische Nutzung und der Möglichkeit von Kernspaltung und Kernfusion, hatten die beiden großen Weltkriegen die Geschwindigkeit der Forschung auf diesem Gebiet enorm erhöht. Seit 1933 wurde aktiv am Bau und an der Planung von Kernwaffen gearbeitet. Die berühmten Schlagwörter "Manhattan Projekt", "Los Alamos", "Trinity" oder die Namen Oppenheimer, Fermi, wie auch Albert Einstein oder Otto Hahn zeugen von diesem Zeitalter, dem Anbeginn des nuklearen Schreckens.
 
Durch die Kapitulation Deutschlands wurden unsere Ahnen und wir selbst vor dem nuklearen Erstschlag bewahrt. Anstelle den Zweiten Weltkrieg in Europa, beendeten die beiden ersten Atombomben "Little Boy" und "Fat Man" den Krieg zwischen Japan und Amerika.
 
Die Auswirkungen dieser beiden Nuklearexplosionen schürten auf der einen Seite die Angst vor diesen Waffen. Auf der anderen Seite beflügelten sie Militärexperten und Regierungen in ihrem Bestreben der Ausdehnung ihres Machtbereiches, oder um die Einschüchterung des jeweiligen Gegners. Nach dem Ende des Krieges mit Japan und durch die Nachwirkungen des Zweiten Weltkrieges angespornt, wurde die Entwicklung von Kernwaffen in Ost und West vorangetrieben. Zahlreiche Tests im Erdreich, Überirdisch, in den Weltmeeren oder gar in der Atmosphäre unserer Erde zogen diese Entwicklungen nach sich. Die Technik wurde verfeinerten und es wurde mit immer weniger spaltbarem Material die Zerstörungs- und Verseuchungskraft der Bomben erhöht. Während die Sprengkraft von "Little Boy" und "Fat Man" nur 13 beziehungsweise 26 Kilotonnen TNT stark waren, konzentrierte man sich in den späteren Jahren auf die Entwicklung von Sprengkörpern mit Sprengkräften von über 10.000 Kilotonnen pro Bomben. Die stärkste, jemals gezündete Bombe war die sowjetische Zar-Bombe, welche 1961 bei einem atmosphärischen Atomtest eine Sprengkraft von 57.000 Kilotonnen freisetzte. Dies war das rund 4300-fache der Hiroshima Bombe - zur Erinnerung: der Hiroshima Bombe fielen damals in einem Augenblick 90.000 Menschen zum Opfer.
 
Der kalte Krieg sorgte dafür, dass sowohl die damalige Sowjetunion und die USA, wie auch die Atommächte in Europa - Frankreich und Großbritannien - mehrere 10.000 Sprengköpfe produzierten, einlagerten und gegen die potenziellen, jeweiligen Gegner ausgerichtet haben. Die 80er Jahre prägten den Begriff des nuklearen Overkills - dies bedeutete, dass alle Sprengköpfe zusammen ein Vielfaches von dem ausmachten was man benötigt, um die gesamte Welt zu zerstören.
 
Durch den Aufbruch des eisernen Vorhanges und dem Zusammenbruch der Sowjetunion, konnten viele, der in den 70er und 80er Jahren beschlossenen Abrüstungsvorhaben umgesetzt werden. Worte wie "Start" oder "Salt 1" und "Salt 2" kennen viele von uns noch aus den allabendlichen Nachrichten im Fernsehen.
 
Trotz der massiven Zerstörung und dem Abbau vieler Atomwaffen, ist die Bedrohung durch einen Nuklearschlag größer denn je. Meine Einleitung - wir bauen eine Atombombe - ist ein beängstigender Hinweis, wie einfach man es sich vorstellt eine thermonukleare Bombe zu bauen - und dies auch noch als "lustige Angelegenheit" bezeichnet.
 
Selbstverständlich ist es nicht ganz so einfach. Aber sprechen wir einmal nicht vom begabten Hobbybastler im heimischen Keller. Denken wir an die große Gefahr des internationalen Terrorismus - gutausgebildet, mit hohem finanziellen und technischen Know-how gepaart, ist die Grenze zwischen dem Wollen und dem Können einen nuklearen Sprengsatz herzustellen ganz schnell überschritten.
 
Aber nicht nur die Gefahr des internationalen Terrorismus wiegt schwer. Die jüngsten Atomtests der Nordkoreaner zeugen von einem Wiedererstarken der atomaren Bedrohung und der Renaissance der Abschrenkung durch Atomwaffen.
 
Gerade Länder, welche sich - wie eben Nordkorea - vor der Weltöffentlichkeit abschotten und sich stärker um die Versorgung ihrer Militärs bemühen als um die Nahrungsversorgung oder Bildung ihrer Bevölkerung, sind ein nicht zu unterschätzender Gefahrenfaktor.
 
Während sich die weltoffenen Staaten den Beschränkungen des Atomwaffensperrvertrages unterworfen haben und die offiziellen Atommächte sich in weitem Umfang auf die Fahnen geschrieben haben, ihre Atomwaffenarsenale abzubauen oder offen zu legen, existieren mittlerweile zahlreiche faktische Atommächte, deren nukleare Gefahr nicht abzuschätzen ist. Hierzu zählen Staaten wie Indien, Israel, Pakistan und Nordkorea - Staaten, in welcher ein Menschenleben so wenig bedeuten zu scheint, dass die Bevölkerung oftmals verhungert und an eigentlich besiegten Krankheiten stirbt - der Drang nach militärischer Überlegenheit aber alles zu sein scheint. Das Problem von "vergessenen" Nuklearwaffen ist in den Splitterstaaten der zusammengebrochenen Sowjetunion gegenwärtig. Dort schlummern in ukrainischem oder sibirischen Boden Trägerraketen, welche vor der Auflösung der UdSSR nicht mehr der Verschrottung zugeführt werden konnten. Alle diese Raketen können bestückt werden, oder sind sogar mit nuklearen Sprengköpfen bestückt, jedoch weis niemand genau, wo sich diese Waffen befinden, ob sie bestückt sind, ob sie scharf sind oder nur alter Schrott.
 
Nach den bisher veröffentlichten Daten der Atomwaffen besitzenden Staaten schweben etwa über 20.000 atomare Sprengkörper wie ein Damoklesschwert über den Köpfen aller Menschen. Zwei oder drei dieser Sprengköpfe können ausreichen, auf einen Schlag genauso viele Menschen zu töten, wie in den Jahren 1937 bis 1945 auf den Schlachtfeldern des Zweiten Weltkrieges gefallen sind, oder in den Bombardements der Metropolen Europas ums Leben kamen.
 
Hoffen wir, dass das Gedenken an die Toten der Kriege in der Vergangenheit, so wie wir das heute hier und unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger aller Orten tun, in den Köpfen der verantwortlichen Militärs, Regierungschefs und den ideologisch geblendeten Terrorwütigen die Bereitschaft " auf den Knopf zu drücken " zu hemmen in der Lage ist.
 
Die Toten der Kriege sind Mahner für den Frieden und die Hoffnung, dass dieses Los der Soldaten und Zivilisten uns und den Generationen nach uns erspart bleiben mag. Gerade deshalb ist es wichtig, an diesen Gedenktagen festzuhalten und sie zu begehen. Doch ist es nicht nur an den Offiziellen von Gemeinden, Städten, Ländern oder den Vereinen und Institutionen dieses Gedenken am Leben zu erhalten. Jeder Bürger, Sie alle, aber gerade auch die Jugend ist hier gefordert.
 
Leider ist es aber gerade diese Generation, welche Gedenktage wie den Heutigen in Frage stellen. Auch hier hoffe ich persönlich auf einen Ruck, welcher diese Generationen aufrüttelt und sensibilisiert.
 
Auch Sie - jeder einzelne, kann hierbei als Mahner wirken und mithelfen, dass die Gefallenen und Gestorbenen nicht vergessen werden und ihr Schicksal nicht in Vegessenheit gerät. Ihr Tod darf nicht übersehen werden und nicht umsonst gewesen sein. Schließen wir alle in unsere Andacht mit ein, nicht nur unsere Gefallenen und Verstorbenen, sondern alle Menschen, welche durch Kriege und Vertreibung ums Leben gekommen sind. Soldaten und Zivilisten - weltweit.
 
Ich lade Sie ein zu einem stillen Gebet und dem gemeinsamen Niederlegen des Kranzes an unserem Ehrendenkmal. Soll das Grün der Zweige ein Zeichen für die Hoffnung auf einen dauerhaften Frieden sein.