vom 31.7.2007
 

Außergewöhnliche Fracht: Edmund Schulte fährt von Dorf zu Dorf und verkauft Junghennen und Masthähne / Großvater begann Geschäft vor 35 Jahren
Im Lkw verbirgt sich ein kompletter Hühnerhof
 
Das Federvieh wird während der Fahrt gefüttert und getränkt und erhält an heißen Tagen auch die entsprechende Kühlung.
Das Federvieh wird während der Fahrt gefüttert und getränkt und erhält an heißen Tagen auch die entsprechende Kühlung.
VON CHRISTA HOFFMANN

Sinzheim - Edmund Schulte transportiert mit seinem Lastwagen eine außergewöhnliche Fracht. Er fährt einen ganzen Hühnerhof spazieren. Mit bis zu 200 Exemplaren klappert er Dörfer in Baden-Württemberg ab, um sein Federvieh zu verkaufen: Legereife Hühner, Junghennen, Perlhühner, Masthähne, Puten und Wachteln - und im Frühjahr hat er auch Enten und Gänse dabei. Jüngst kam der 33-jährige Schulte auf seiner Runde, die regelmäßig durch die Region führt, auch in Sinzheim und Leiberstung vorbei.
 
Vor dem Gasthaus Pflug in Leiberstung haben sich kurz vor der geplanten Ankunft des Hühnertransporters um 13.30 Uhr bereits vier Käufer eingefunden. Sie sind mit dem Fahrrad, dem Auto oder - wie Magdalena Frietsch - mit der Schubkarre gekommen und haben alle ein entsprechendes Hühner-Transportbehältnis mitgebracht - und zwar einen alten Sack. "Die gekauften Eier sind vom Geschmack her unmöglich", erklärt eine Schiftungerin, warum sie eigene Hühner hält.
 
Etwa 22 Wochen alt sind die Tiere der Sorte Tetra, Bovanz (schwarze oder braune) oder Grünleger, die Schulte verkauft. Sie kosten acht Euro pro Stück und legen bereits Eier. Und was sind Grünleger? "Diese Art legt hellgrün gefärbte Eier." Als Stadtmensch mag man das gar nicht glauben, aber es stimmt. Ein Kunde verlangt vergeblich nach Exemplaren dieser Art. Sie sind ausverkauft.
 
Der zehn Jahre alte Timo hat seine Freude an dem außergewöhnlichen Verkaufsstand. Er sieht sich interessiert um und darf auch mal ein Huhn halten. Denn wenn der Profi Schulte eine Henne aus ihrer Box holt und in den bereitgehaltenen Sack steckt, geht das so schnell, dass man kaum eine Feder sehen kann.
 
"Vor 30 Jahren hat jedes Haus im Dorf Hühner gehabt, erinnert sich ein Leiberstunger, der drei Tiere kauft. "Hühnerbaron" Schulte bestätigt, dass der Absatz in den vergangenen Jahren etwas gesunken sei. Deutliche Einbrüche habe es aber nur während der Vogelgrippezeit gegeben. Inzwischen stelle er aber wieder eine Renaissance des Hühnerhaltens bei den jungen Menschen fest. "Die Leute wollen ihre eigenen Eier haben", sagt der Unternehmer, "und keine aus Käfighaltung."
 
Bereits Schultes Großvater hat vor rund 35 Jahren ins Badische Hühner - sie können fünf bis sechs Jahre alt werden -geliefert, berichtet dessen Enkel. Dadurch habe er sich einen großen Kundenstamm hier aufgebaut, der bis heute bestehe. "Tagesküken sind damals sogar mit der Bahn verschickt worden", weiß Schulte aus Erzählungen. Das gehe heute allerdings nicht mehr. Auch er transportiere keine Küken. weil es zu schwierig sei, die notwendigen Bedingungen während der Fahrt aufrechtzuerhalten. Beispielsweise müssten es die kleinen Piepser 30 Grad warm haben.
 
Magdalena Frietsch aus Leiberstung ist eine routinierte Hühnerkäuferin. Interessiert schaut der zehnjährige Timo zu, wie Edmund Schulte das Tier in den Sack steckt.
Magdalena Frietsch aus Leiberstung ist eine routinierte Hühnerkäuferin. Interessiert schaut der zehnjährige Timo zu, wie Edmund Schulte das Tier in den Sack steckt. Fotos: cri
Die Hühner, die in der eigenen Brüterei des etwa 450 Kilometer entfernten Familienbetriebs in Delbrück-Westenholz bei Paderborn gezüchtet werden, landen zunächst in einem Stall in Karlsruhe, beschreibt Schulte den Transportweg seiner gackernden Fracht. Dort lade er das Federvieh auf und verkaufe die Tiere - viele davon seien vorbestellt - noch am selben Tag. Während des Transports könnten die Hühner getränkt und gefüttert werden. Außerdem verfüge der Lkw über eine Kühlung.
 
Mit einem Seitenblick schaut Schulte auf die Uhr. Es ist Zeit, weiter zu fahren, sein Terminkalender ist eng. Die Käufer haben sich mit ihren "Eiweißlieferanten" bereits auf den Weg gemacht. Ihnen steht, im Gegensatz zu Millionen Artgenossen, eine artgerechte Zukunft als Freilandhuhn bevor.