vom 29.1.2011
Zahlreiche Schätze - darunter Fotos früherer Bürgermeister und Personalausweise mit Fingerabdrücken aus der Nazizeit - des Sinzheimer Gemeindearchivs hütet Archivar Patrick Götz.
Zahlreiche Schätze - darunter Fotos früherer Bürgermeister und Personalausweise mit Fingerabdrücken aus der Nazizeit - des Sinzheimer Gemeindearchivs hütet Archivar Patrick Götz.            Fotos: Hoffmann

Archivar sortiert das historische Erbe Sinzheims
Patrick Götz katalogisiert die Unterlagen der Gemeinde Sinzheim / An Papierpflicht gebunden / Großer Raum im Rathaus

Von Christa Hoffmann

Sinzheim - Keine Spur von schummrigem Licht, uralten Spinnweben oder dicken Staubschichten: Hell erleuchtet und rein gefegt ist der große, mit zahlreichen beweglichen Stahlregalen bestückte Raum im Sinzheimer Rathaus, in dem das Gemeindearchiv untergebracht ist - und der Raum verfügt über einen großen Heizkörper. Das weiß Archivar Patrick Götz besonders zu schätzen und legt deshalb die Arbeitszeit, die er für die Stabsgemeinde jährlich zu erbringen hat, gerne in die Winterzeit.

Und da gibt es einiges für ihn zu tun. In den vergangenen Jahrzehnten sei nichts aufgelistet, sondern nur aufgehoben worden, erklärt der Diplomverwaltungswirt Götz. "Aber das ist nicht das Schlechteste", meint er, denn dann seien die Unterlagen wenigstens noch vorhanden. Das Suchen hingegen dauere lang, weil nichts katalogisiert sei. Früher habe es in den Gemeinden keine Archivare gegeben, das Aufbewahren "hat der Ratsschreiber mitgemacht".

Zunächst einmal habe er Struktur in das Material gebracht, so der Experte. Bauakten vor 1950 seien in Sinzheim ziemlich rar, so Götz. Auch ganz frühe Sachen fehlten, aber ansonsten sei viel vorhanden. Bilder und Fotos seien in Schubladen gewandert, gefaltete Plakate habe er ebenso glatt gelegt wie alte Pläne von Gemarkungsgrenzen und Karten. Momentan ist er mit der Fortführung der Verzeichnisarbeiten und der Übernahme der Akten, die er vom Speicher des alten Rathauses, der alten Schule und dem alten Grundbuchamt geholt hat, beschäftigt.

Man könnte ja meinen, dass angesichts des EDV-Zeitalters der Verwaltungsschriftverkehr nur noch elektronisch aufgehoben wird, aber dem ist nicht so. "Wir sind an die Papierpflicht gebunden", sagte Sinzheims Bürgermeister Erik Ernst jüngst in einer Gemeinderatssitzung, in der das Gremium dem Vertrag des Kommunalen Archivverbunds Südlicher Landkreis über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Archiv- und Museumswesens zugestimmt hat. "Ein Archiv wächst und muss immer gut gepflegt sein", begründete Ernst die Erhöhung des Sinzheimer Anteils im Verbund von zehn auf 15 Prozent ab 2011. Götz archiviert alle Unterlagen, die im Rathaus anfallen. Wie lange was behalten werden müsse, bestimme das Gesetz, sagt Götz. Alles andere "regele der normale Menschenverstand".

In den vergangenen zwei Jahren hatte der Schwerpunkt des Archivierens bei der Aufarbeitung des Bestands aus Leiberstung gelegen, so Götz, das einstmals selbstständig war. In dem Altarchiv seien unter anderem die Rechnungsbände, sprich Haushaltsbücher, von 1805 an fast vollständig vorhanden. Auch eine andere Besonderheit gibt es aus dem Wendelinusdorf: Die Passkarten mit Fingerabdrücken, die es während der Nazizeit gegeben habe, seien fast komplett vorhanden. Auch Listen, wer schon vor dem 1.April 1933 Parteimitglied war - in anderen Gemeinden großzügig vernichtet -, existierten in Sinzheim noch.

Zunächst gibt Götz jeder Akte einen Titel, notiert das Alter und versieht sie mit einer fortlaufenden Nummer. "Man glaubt gar nicht, wie viele metallene Büroklammern in den alten Akten klemmen", sagt der Archivar, und weist auf den großen Zeitaufwand hin, diese zu entfernen, ohne etwas zu beschädigen. Denn oftmals seien sie schon verrostet. Sollte in den Papieren ein Name auftauchen, schreibt er ihn ebenfalls auf. Falls jemand irgendwann mal nach diesem Namen suchen sollte - etwa im Zuge einer Ahnenforschung - wäre er leicht zu finden. Alle diese Daten werden dann im Computer gespeichert.

Oftmals sei nur eine Loseblattsammlung vorhanden. Dann erstellt Götz einen neuen Aktendeckel und schnürt zusammengehörende Papiere nach der sogenannten badischen Lochung (zwei Löcher oben links) mit einem speziellen Aktenstecher mit Bindfaden zusammen. Viel Interessantes schlummert im Archiv, weiß der Archivar, aber "sehr viel lesen darf man nicht", sagt Götz, sonst verzettele man sich.

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Kaum Unterlagen von Vereinen

Sinzheim (cri) - Unterlagen von Bürgern sind 100 Jahre nach der Geburt frei zur Veröffentlichung, erklärt Archivar Patrick Götz, oder wenn der Betreffende nicht mehr lebt. Auskunft bekommt allerdings nur, wer ein berechtigtes Interesse hat. Das können etwa Angehörige oder Historiker sein. Bürger suchten beispielsweise manchmal nach alten Grundbüchern, wenn sie bauen und alte Wegerechte nutzen wollen. Da gebe es etwa Regelungen von Anno dazumal, dass "der hintere mit dem Hand- oder Heuwagen über das Grundstück des vorne stehenden Hauses fahren darf". Da sei dann die Frage zu klären, ob sich diese Regelung auch auf ein heutiges Fahrzeug beziehen könne, erklärt Götz.

Mit zu seinen Aufgaben gehört auch die Sichtung historischer Unterlagen, die von Bürgern angeboten werden. In diesem Zusammenhang weist er darauf hin, dass so gut wie keine Unterlagen über Vereine im Gemeindearchiv vorhanden seien. Deshalb bittet er Vereinsvertreter, etwa vorhandene Plakate oder Festschriften bei ihm abzugeben.