vom 26.2.2011

Fehlende Nahversorgung nicht nur in kleinen Gemeinden ein Problem
Fachtagung des Regionalverbands und der IHK: Kommunen können durch Planung mitbestimmen / Leiberstung als Zukunftsmodell?

Karlsruhe/Sinzheim (win) - Vielleicht sieht genau so das Modell der Zukunft für kleinere Gemeinden aus: Vor zwei Jahren beschlossen Einwohner des Sinzheimer Ortsteils Leiberstung, die Nahversorgung ihres knapp 900 Einwohner zählenden Dorfes in die eigenen Hände zu nehmen, und sie gründeten eine Genossenschaft. Heute hat die Genossenschaft mehr als 200 Mitglieder und betreibt im Ort einen Tante-Emma-Laden mit 49 Quadratmetern Verkaufsfläche, der bereits bescheidene Gewinne abwirft.

Viel wichtiger aber ist, dass das Dörfchen, das rund sechs Kilometer von der nächsten Einkaufsmöglichkeit entfernt liegt, wieder ein eigenes Nahversorgungszentrum hat, in dem Back- und Fleischwaren, Obst und Gemüse sowie andere Lebensmittel und Dinge des täglichen Gebrauchs gekauft werden können. Und in dem die Einwohner bisweilen auch Neuigkeiten erfahren aus ihrem Ort erfahren , wie Ortsvorsteher Alexander Naber berichtete.

Der Regionalverband Mittlerer Oberrhein und die Industrie- und Handelskammer Karlsruhe (IHK) hatten zu einer Fachtagung zum Thema Nahversorgung geladen, und zahlreiche Bürgermeister, Amtsleiter und Stadtplaner waren gekommen. Fehlende Nahversorgungszentren sind keineswegs ein Problem der kleinen Gemeinden, selbst in Mittelzentren wie Ettlingen oder Rastatt treibt die Verantwortlichen die Sorge um, wie sie wohnortnahe Geschäfte in ihren Stadtteilen ansiedeln, beziehungsweise halten können.

In Zeiten des wachsenden Internethandels müsse sich der Lebensmittelhandel ohnehin auf gewaltige Herausforderungen einstellen, wie IHK-Vizepräsident Roland Fitterer, selbst Betreiber mehrerer Lebensmittelmärkte, anmerkte. Mit speziellem Sortiment und besonderem Service könne dann auch dort überlebt werden, wo laut der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (GMA) eigentlich kein Lebensmittelgeschäft dauerhaft existieren kann. Dazu bedürfe es aber einer Zusammenarbeit zwischen Kommune und Handel, so ähnlich wie in Rastatt, wo die Stadt versucht, Bebauungspläne so auszugestalten, dass Geschäfte nur noch dort angesiedelt werden dürfen, wo man sie haben möchte. Auch der öffentliche Nahverkehr kann so gestaltet werden, dass auch ältere Menschen mühelos ihre Einkäufe in diesem Geschäft erledigen können.

Inwieweit die Kommunen in den Markt eingreifen und diesen fördern sollen, das ist durchaus umstritten. Spätestens, wenn die Stadt an einem Geschäft direkt beteiligt ist, werde es kritisch, wie Stefan Holl von der GMA anführt. Städte sollten sich davor hüten, unattraktive Märkte über Subventionen am Leben zu halten.

Laut Gerd Hager vom Regionalverband Mittlerer Oberrhein ist die Versorgung in der Region noch sehr gut. Sorgen bereite ihm aber die abnehmende Zahl kleinerer Läden, an deren Stelle dann Filialen der immer gleichen Ketten treten. "Oligopole sind gefährlich"; es seien dann nicht nur die Verkaufsmöglichkeiten der Erzeuger und damit die Angebotsvielfalt bedroht, sondern bisweilen auch der Charme der Ortschaften. Letztlich liege es an der Kommune selbst, ob sie großflächige Märkte zulasse.

Nur sie könne über Bebauungsplänen die nötigen Flächen ausweisen, oder es bleibenlassen. Dabei gelte es auch immer abzuwägen, ob ein großflächiger Discounter für die Nahversorgung wünschenswert ist, oder womöglich bestehende Strukturen im Ort und damit ein Teil der Urbanität zerstört werde.