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Vom 12.5.2018
 
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"Schutzgut Mensch hat Vorrang"
Das BT im Gespräch mit dem Weitenunger Ortsvorsteher Daniel Fritz
 
Bühl - Bei der Söllinger Konversion von einer Militärbasis zu einem Gewerbepark mit Flughafen war immer klar: Eine direkte Anbindung ist in-frastrukturelle Pflicht. Fakt jedoch ist, dass nach dem Start des ersten Ferienfliegers nach Palma de Mallorca am Pfingstsamstag 1997 ein solcher Direktzugang immer noch auf seine Realisierung wartet. Die Folge: Die Airpark-Beschäftigten, die Werksverkehre oder die Fluggäste quälen sich durch Hügelsheim oder nehmen die kürzeren "Schleichwege" mitten durch Weitenung, Oberbruch und Leiberstung. Zu den beiden Anbindungsvarianten Ost und Nord unterhielt sich BT-Redakteur Gerold Hammes mit dem Weitenunger Ortsvorsteher Daniel Fritz.
 
BT: Herr Fritz, Sie haben in der Gemeinderatssitzung am 25. April Ihren Unmut geäußert, dass die Stellungnahme zur Direktanbindung des Baden-Airparks an die A5 den Interessen der Stadt, insbesondere der Bürger von Weitenung und Oberbruch, nicht gerecht wird, weil zur Ostanbindung in Höhe von Halberstung auch die Nord-Variante gleichwertig in das Verfahren einzubeziehen sei. Weshalb haben Sie und Ihre CDU-Fraktionskollegen hier nicht interveniert?
Interview
Daniel Fritz: Ich konnte leider aus gesundheitlichen Gründen weder an der Fraktionssitzung noch an der Gemeinderatssitzung am 21. März teilnehmen. Die Verwaltung favorisierte zwar die Ostvariante, verknüpfte damit allerdings weitere Bedingungen, um vorbehaltlos zustimmen zu können. Ich hätte mir in der Stellungnahme ein klares Votum der Verwaltung zur Ostanbindung gewünscht. Die dann beantragte Änderung, die Nordvariante als gleichwertig zur Ostanbindung im Verfahren einzubeziehen, hat mich dann doch sehr überrascht. Meine Fraktionskollegen haben in der Tat nicht interveniert.
Vermutlich wäre es anders gelaufen, wenn ich im Vorfeld in meiner Fraktion die schon jetzt bestehenden Probleme, aber vor allem die noch zu erwartenden Auswirkungen für Oberbruch und Weitenung hätte erläutern können. Kurzum: Ich werde für die Ostanbindung kämpfen, weil sie die beste Lösung ist.
 
BT: In der Sitzungsvorlage heißt es, dass die "verkehrstechnisch günstigere Variante Ost nicht ohne weiteres den Ausschlag für die Trassenfestlegung" geben könne. Stattdessen fordert die Stadt Ergänzungen des Verkehrsgutachtens.
Fritz: Die geforderte Ergänzung beim Verkehrsgutachten ist der Tatsache geschuldet, dass das Ingenieurbüro Brilon, Bondzio, Weiser (Bochum), das schon viele Jahre für die Stadt Bühl tätig ist, zu teilweise anderen Erkenntnissen kommt, was die Verkehrsströme betrifft, als das vom Landratsamt beauftragte Büro. Darüber hinaus werden weitere Untersuchungen hinsichtlich des Naturschutzes gefordert. Gleichzeitig sollen aber keinerlei Nachteile für die Bühler Bürger, was die Verkehrsbelastung betrifft, entstehen. Die Stellungnahme will allen Interessen gerecht werden. Das geht aber nicht.
 
Ohne Ostanbindung
Nachteile für Bühl
 
BT: Nach Abwägung der Schutzgüter Natur, Tierwelt und Mensch stellt die Ostanbindung nach Auffassung des Landratsamts die in der Summe verträglichste, schnellste und effektivste Variante dar.
Fritz: Ohne die Ostanbindung wird es Nachteile für die Bühler Bürger in Weitenung und Oberbruch geben. Übrigens auch für den Sinzheimer Ortsteil Leiberstung. Insofern überrascht mich die einseitige Haltung von Sinzheim gegen die Ostanbindung schon. Allerdings muss man bei einem so komplexen Thema alles abwägen. Zum Beispiel wird nicht erwähnt, was aktuell an neuen Ansiedlungen beziehungsweise an Erweiterungen von Logistikunternehmen im Baden-Airpark geplant ist. In diesem Zusammenhang ist es unabdingbar, dass die Ampelkreuzungen auf der L85 in Vimbuch durch Kreisverkehre ersetzt werden, um die schon jetzt vorhandenen täglichen Staus beseitigen zu können.
 
BTFritzBT: Naturschutzverbände lassen schon mal durchblicken, dass sie den Klageweg bestreiten werden, sollte die Ostanbindung planfestgestellt werden. Damit könnte das in-frastrukturell überfällige Projekt auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben werden - nach dann 20 Jahren Erörterung und Planungszeit.
Fritz: Grundsätzlich nervt mich an solchen Projekten, dass die ständig wachsenden Anforderungen des Umwelt- und Naturschutzes zu extrem langen Planungszeiten und damit zu steigenden Baukosten führen. Längst könnten wir ohne diese Anforderungen eine bessere Anbindung für die dort ansässigen Betriebe und Arbeitnehmer haben. Und die Anwohner der Durchgangstrassen würden weniger unter dem Dreck und Lärm leiden. Wir geben bei diesem Projekt mehr Geld aus für ausgleichende Maßnahmen als für die eigentliche Baumaßnahme. Wir sprechen dabei von neun Millionen Euro bei geschätzten Baukosten von sechs Millionen. Wir müssen wieder einen vernünftigen Ausgleich zwischen Naturschutz, Arbeitsplätzen und dem Schutz der Menschen finden. Es muss die Frage erlaubt sein, ob dem Schutzgut Mensch noch ein ausreichender Stellenwert eingeräumt wird.
 
BT: Sollte die Nordanbindung kommen, ist davon auszugehen, dass nur wenige ortskundige Airpark-Beschäftigte oder Fluggäste den Umweg über die Ausfahrt Baden-Baden und den Zubringer B500 zum Airport nehmen werden, sondern weiterhin die Route über Weitenung, Leiberstung oder Oberbruch wählen. Bühler Volksvertreter und Verwaltung dürfen nach Abwägung der Gesamtsituation doch durchaus das Interesse ihrer Bürger im Fokus haben?
Fritz: Ich würde niemals unterstellen, dass sie nicht die Interessen der Bürger im Fokus haben. Dies geht ja auch aus der Stellungnahme hervor. Und der Oberbürgermeister hat beim Änderungsantrag auch darauf hingewiesen, dass eine mögliche Nordanbindung ohne eine Lösung für die betroffenen Bühler Stadtteile denkbar schlecht wäre. Die Krux ist halt, dass man allen Interessen gerecht werden will - und das geht in diesem Fall eben nicht. Die Bürger möchten wissen, woran sie sind. Ich habe für mich entschieden, dass das Schutzgut Mensch in dem Falle Vorrang vor den anderen Schutzgütern hat.
 
BT: Können Sie Ängste und Befürchtungen der Gemeinde Sinzheim und der Halberstunger Bürgervereinigung nachvollziehen?
Fritz: Grundsätzlich ist es in Ordnung und legitim, wenn sie sich für die Belange von Halberstung einsetzen. Ich würde mir allerdings wünschen, dass andere Meinungen mehr respektiert und mehr Verständnis für unsere Belange aufgebracht würden. Es macht schon einen Unterschied, ob der Verkehr durch Ortschaften wie Oberbruch, Weitenung oder Leiberstung geführt wird oder ob er, wie in Halberstung oder Schiftung, an den Ortschaften vorbei. Natürlich aber müssen geeignete Lärmschutzmaßnahmen für diese Bewohner durchgeführt werden, und natürlich müssen entsprechende Eingriffe in die Natur ausgeglichen werden. All das ist bei der Ostanbindung vorgesehen. Allein für Naturschutzmaßnahmen ist mehr Geld vorgesehen als für den Bau der Straße. Das wird in den ganzen Diskussionen überhaupt nicht erwähnt.
 
Landrat hat
stichhaltige Argumente
 
BT: Wie bewerten Sie den Vorwurf der Bürgervereinigung, die Landrat Jürgen Bäuerle ein "äußerst undemokratisches" Vorgehen vorgeworfen hat, nur weil der den Bühler Gemeinderat gebeten hat, sich für die Ostanbindung zu bekennen?
Fritz: Ich kann nicht nachvollziehen, was daran undemokratisch sein soll. Unser Landrat hat eine klare Meinung zu diesem Thema, und die vertritt er ohne Wenn und Aber mit stichhaltigen Argumenten. Dieses Vorgehen ist alles andere als undemokratisch, sondern elementarer Bestandteil einer gut funktionierenden Demokratie.
 
BT: Wie geht es weiter? Werden Sie im Gemeinderat eventuell noch einen Vorstoß wagen?
Fritz: Ja, das werde ich tun. Außerdem werde ich das Thema auch im Ortschaftsrat nochmals aufgreifen.