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vom 19. März 2003

Bei der Wendelinushalle wurde auf einen eigens errichteten Mast das Storchennest montiert
Die Leiberstunger Störche nehmen Abschied vom Rathausdach
Abriss des Rathauses und der Schule in der Ortsmitte könnte noch in diesem Jahr beginnen / Wiederansiedlung des Storchs läuft gut
 
 
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GEMEINSCHAFTSARBEIT: Paul Frietsch, Gerhard Jörger und Karl-Heinz Stolz besorgten den Leiberstunger Störchen ein neues  Quartier. Die Tage des Rathauses, auf dessen Dach die Störche bislang ihr Nest hatten, sind gezählt. Foto: Karlheinz Röll
 
Von unserem Redaktionsmitglied Wilfried Lienhard
Sinzheim-Leiberstung. Die Leiberstunger Ortsmitte bietet ein neues Bild: Nach Jahrzehnten thront auf dem Rathausdach kein Storchennest mehr. Seit eh und je gehörte zu dem Rathaus das Storchennest „Das war schon in meiner Kinderzeit so“, sagt der frühere Ortsvorsteher Paul Frietsch. „und auch mein Vater hat vom Storchennest auf dem Rathaus erzählt“.
 
Doch mit dem Auszug der Leiberstunger Grundschule in den Neubau am Ortsrand sind für den 1829 erstellten Gebäudekomplex Rathaus/Schule die Tage gezählt. Der Abriss ist beschlossene Sache, und durchaus könnte es noch dieses Jahr so weit sein, sagt Frietschs Nachfolger im Amt des Ortsvorstehers, Alexander Naber. Sind Fragen wie die nach der Finanzierung des Abrisses geklärt, könnte der Abbruchbagger anrollen. Die Leiberstunger Störche benötigen folglich eine neue Heimat.
 
Etwas Wehmut war schon dabei, als am Montagabend das „Umzugskommando“ anrückte. Die Feuerwehrleute Gerhard Jörger und Karl-Heinz Stolz holten mit Unterstützung von Paul Frietsch das Nest vom Dach und brachten es hinaus zur Wendelinushalle. Dort war eigens ein Mast erstellt worden, auf dessen Spitze das Nest befestigt ist. Es dämmerte bereits, als Jörger und Stolz mit einem angemieteten Hebekran das Nest mit Zweigen für den Neubezug herrichteten und in luftige Höhen hievten.
 
„Wir sind schon etwas spät im Jahr“, sagt Paul Frietsch. „Ich hoffe, dass das Nest dennoch angenommen wird. Frietsch ist so etwas wie der Leiberstunger „Storchenvater“.
 
In den 50er Jahren. als er Messner war, kletterte er oft auf den Kirchturm. Von einer Luke dort konnte er das Storchennest auf dem benachbarten Rathaus beobachten. Das waren die Zeiten, als die Störche sich noch ohne menschliches Zutun in Mittelbaden heimisch fühlten. „Das Nest war die ganzen Jahre immer besetzt“ , erinnert sich Frietsch. Das letzte Paar kam 13 Jahre immer wieder zurück. Anfang der 60er Jahre aber war es mit der Leiberstunger Storchenherrlichkeit vorbei: Ein Storch erlitt den „Stromtod“ ,und Meister Adebar kehrte dem Ort den Rücken. Leiberstung ging es wie vielen anderen Orten. Die Zahl der Störche in der Region wurde immer kleiner. 1964 brütete der letzte Storch auf dem Bühler Kirchturm, und als 1978 auch der Brutbestand in Moos erlosch, war in ganz Nordbaden keine Storchenbrut mehr zu finden.
 
Über 20 Jahre dauerte die Leiberstunger Storchen-Trennung. Offenbar vermissten die Leiberstunger „ihre“ Störche. Denn als im Februar 1985 eine Storchenstation eingeweiht wurde, war trotz strömenden Regens das halbe Dorf auf den Beinen. Ein Storchenpaar und zwei Jungstörche aus der Aufzuchtstation in Schwarzach im Odenwald fanden ihren Platz in Leiberstung. Paul Frietsch hatte eine Fläche auf seinem Aussiedlerhof zur Verfügung gestellt.
 
„Es läuft gut“, urteilt Frietsch über die Bemühungen, den Weißstorch in Leiberstung wieder heimisch zu machen. Zwar bleiben Rückschläge nicht aus. So raubten vier fremde Störche im vergangenen Jahr das Nest aus, machten alles kaputt, erzählt Frietsch. Doch heute gehört der Storch wieder zum Leiberstunger Dorfbild.
 
Im Moment ist ein Paar da. Lange hat Frietsch in diesem Winter die beiden Störche eingedenk der Frostperiode auf dem Hof gefüttert: „Sie laufen mir richtig nach.“ Der neue Standort des Nestes könnte ihnen gefallen. In der Nachbarschaft befindet sich ein Biotop, an dem sich die Störche oft aufhalten, weiß Frietsch: „Das lieben sie.“