Volkstrauertag 2005 Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewalt
 
Liebe Leiberstunger Mitbürgerinnen und Mitbürger, sehr geehrte Damen und Herren Vereinsvorsitzende!
Die Zeit der Gedenk- und Andachttage liegt nun wieder vor uns. Ein wichtiger Gedenktag hierbei ist ohne Zweifel der
 
Volkstrauertag, am Sonntag, 13.11.2005
 
Wie in den vergangenen Jahren auch, werden Kirchen- und die politischen Gemeinden den Opfern von Krieg, Vertreibung und Repression gedenken. Ich darf Sie alle recht herzlich hierzu einladen.
Gemeinsam wollen wir, im Gedenken an die Opfer, beim Ehrendenkmal auf dem Friedhof einen Kranz niederlegen und in einer Gedenkminute verharren. Ehrenabordnungen der Leiberstunger Vereine unter Fahnenbegleitung, sowie eine kurze Ansprache, musikalisch umrahmt durch den Männergesangverein 1875 Leiberstung e.V., werden diesem Gedenken den entsprechenden Rahmen geben.
 
Beginn der Gedenkveranstaltung, welche wir bei jeder Witterung durchführen werden, ist um 11.00 Uhr auf dem Friedhof Leiberstung.
 
Ich bitte Sie herzlichst, hieran teilzunehmen und somit diesem Gedenktag den gebührenden Stellenwert einzuräumen - ganz besonders gilt dieser Aufruf auch den Jugendlichen
 
Naber Ortsvorsteher
 
Ansprache zum Volkstrauertag 2005
von Ortsvorsteher Alexander Naber
 
"Erinnerung hat in diesem Jahr Hochkonjunktur - Kaum ein anderes Jahr wurde jemals so stark mit Gedenk-Daten befrachtet. Im Zentrum der Rückblicke stand das Ende des 2. Weltkrieges vor 60 Jahren"! Mit diesen Wort leitet Reinhard Führer, Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, sein Geleitwort zum diesjährigen Volkstrauertag 2005 ein.
 
Viele denken hierbei - "was, schon 60 Jahre ist dies her?", wieder anderen fällt der Satz ein "das ist doch jetzt schon 60 Jahre her, warum wird immer noch auf dem Thema herumgeritten?" - was denken Sie in diesem Moment, hören Sie in sich hinein und geben Sie sich die Antwort. 60 Jahre vergangen seit dem Ende des 2. Weltkrieges 1945. Zahlreiche Gedenkveranstaltungen haben die Erinnerung an dieses historische Ereignisse zum Thema. Und wie eben diejenigen, welche sagen, "was schon 60 Jahre her", mit eben diesen Gedenken an das Ende des 2. Weltkrieges und die Gräueltaten auf allen Seiten der im Krieg beteiligten Völker - Soldaten, Zivilisten und unschuldig Verfolgten - das Vergessen dieser Taten verhindern wollen und das Andenken an die Toten bewahren, so stehen auf der anderen Seite diejenigen, welche sagen, "ist doch schon 60 Jahre her", und nicht mehr daran erinnert werden, ja - sich aus der Verantwortung an das Gedenken stehlen wollen.
 
60 Jahre - Ende 2. Weltkrieg - das ist doch vergangen, aus dem letzten Jahrhundert gewesen - so was gibt's doch nicht mehr, also vergessen wir das Ganze - Leben wir los, glücklich - in Reichtum und Überfluss.
 
Aber - ist es wirklich so einfach ? Wenn Sie jemanden auf der Straße nach dem ersten Gedanken zum Thema "Krieg" fragen, wird er Ihnen sicher antworten : 1. und 2. Weltkrieg - die waren letztes Jahrhundert und jetzt haben wir Ruhe. Glauben Sie das?
 
In diesem Jahr hat das Ende des 2. Weltkrieges in 1945 seinen 60. Jahrestag; Aber - es gibt noch andere Daten, welche nicht vergessen werden sollten :
 
- Vor 60 Jahren, im Jahre 1945 endete auch der Pazifikkrieg - durch die ersten Atombomben, deren Auswirkungen auch heute noch das Leben der Menschen beeinflussen; - Vor 60 Jahren, im Jahre 1945 begannen der Chinesische und der Indonesische Bürgerkrieg, welche an Grausamkeiten neue Maßstäbe setzten; - Vor 55 Jahren, im Jahre 1950 begann der Korea- oder Indochinakrieg, welcher die US-Streitkräfte und die französischen Verbündeten die Gräuel eines Dschungelkrieges lehrten; - Vor 50 Jahren, im Jahre 1955 begann der zypriotische Unabhängigkeitskrieg - hier, in unserer Nähe des heutigen, vereinten Europas; - Vor 40 Jahren, im Jahre 1965 begann der Indisch-Pakistanische Krieg, welcher auch als 2. Kaschmir-Krieg die Geschichtsbücher füllte; - Vor 30 Jahren, im Jahre 1975 endete einer der historischsten Kriege, welcher durch verschiedene Dinge zweifelhafte Popularität erlangt hatte - einige davon waren "Platoon", "Napalm" oder auch "Hair"! Nach knapp 10 Jahren war der Vietnam-Krieg endlich beendet; - Vor 30 Jahren, im Jahre 1975 begannen der Libanesische Bürgerkrieg und der Thailand-Kambodscha Krieg beide forderten bis zum Ende der 80er Jahre unzählige Tote; - Vor 25 Jahren, im Jahre 1980 begann der Krieg zwischen Iran und Irak. Welcher als "1. Golfkrieg" in die Geschichte eingehen sollte und in welchem die beiden Supermächte USA und UDSSR sich auf Fremdem Gebiet erbitterte Schlachten lieferten - jedoch auf dem Rücken der einheimischen Soldaten idem sie die Gegner mit Waffen und Nachschub versorgten; - Vor 20 Jahren, im Jahre 1985 begann der Krieg Mali und Burkina Faso - trotz der bittersten Armut dieser Länder waren Waffen wichtiger als Brot; - Vor 15 Jahren, im Jahre 1990 endete der Contra-Krieg in Südamerika - wie auch der erste Golfkrieg beliebtes und allabendliches Thema in den Nachrichten; - Im gleichen Jahr 1990, vor 15 Jahren, begann der 2. Golfkrieg zwischen den USA und dem Irak - ausgerechnet dem Land, welchem die USA 10 Jahre vorher noch die Waffen gegen den Iran geliefert hatten; - Vor 10 Jahren, im Jahre 1995 endete der Krieg in Jugoslawien - welcher direkt vor unserer Haustür, in diesem "zivilisierten" Europa stattgefunden hatte und die gesamten westlichen Kontinentalstaaten beschäftigt hatte; - Vor 5 Jahren, im Jahre 2000 endete der Krieg zwischen Eritrea und Äthiopien - welcher die armen Länder an den Abgrund getrieben hatte; - In diesem Jahr 2005 nun endeten die Sezessionskriege im Süd-Sudan und der Provinz Aceh in Indonesien;
 
2005 - ein Jahr der Gedenktage und Jubiläen - zweifelhaften Jubiläen.
 
Haben Sie mitgezählt ? Insgesamt 17 Kriege haben seit dem Ende des 2. Weltkrieges in diesem Jahr nun einen bedeutsamen Jahrestag. Aber, wer nun glaubt, dass dies alle Auseinandersetzungen zwischen Staaten, Provinzen oder ethnischen Gruppen waren, dann ist man im Irrtum.
 
Seit dem Ende des 2. Weltkrieges fanden insgesamt 68 Kriege statt, seit 1900 sogar 87 - die Zahl der Toten, Verstümmelten und Vertriebenen ist astronomisch hoch. Einige dieser Auseinandersetzungen und kriegerischen Handlungen fanden auch gerade in unserem modernen Europa statt - in einigen waren deutsche Soldaten der Bundeswehr oder Helfer von Rotem Kreuz und technischen Hilfsdiensten im Rahmen von UN-Einsätzen beteiligt.
 
Viele der Auseinandersetzungen seit 1945 spielen heute auch in unserem täglichen Leben noch eine große Rolle.
 
Ist es angesichts dieser Tatsache, sowie den Schrecken der Bürgerkriege in den ehemaligen Republiken der zerfallenen Sowjetunion, im ehemaligen Jugoslawien oder auch dem trügerischen Frieden nach einem jahrzehntelangen Bürgerkrieg im norden Irlands und dem nicht enden wollenden Konflikt "Israel" nicht dringend notwendig an solchen Gedenktagen wie dem heutigen Volkstrauertag festzuhalten? Wider dem Vergessen, Wider dem Verdrängen, Wider dem Wegschauen oder am Ende gar dem gelangweilten Zuschauen!
 
Verschließen wir uns nicht vor den beunruhigen Dingen, welche aktuell vor unseren Augen geschehen - wie schnell kann sich aus einem Aufstand rebellierender Jugendlicher ein regelrechter Bürgerkrieg entwickeln, oder hat er sich das vielleicht schon? Im nahen Frankreich, der europäischen Wiege Paris zeigen die Zeichen auf Sturm, wenn massive Polizeieinsätze und Ausgangssperren nicht mehr ausreichen um Herr der Lage zu werden? Hoffen wir mit unseren Nachbarn, dass sich die brennenden Autos in der Nacht, nicht zu einem Flächenbrand am Tage ausdehnen, welcher über die "Brücken der Verständigung", die seit dem Ende des 2. Weltkrieges über den Rhein gespannt wurden, zu uns herüberschwappen. Lassen wir uns heute nochmals besonders all diese Kriege, Auseinandersetzungen und auch Verbrechen an der Menschlichkeit vor Augen führen und sie bewerten - bewerten im Hinblick auf das, was wir daraus lernen können.
 
Lassen Sie uns alle in diesem Moment die Gedanken vereinen und bei ihnen sein - bei den Gefallenen, Verwundeten, Gefolterten, Vertriebenen und Missbrauchten - Soldaten, Zivilisten - Männer, Frauen, Kinder, Familien.
 
Wenn wir heute an diesem Mahnmal für die gefallenen Söhne unseres Dorfes einen Kranz niederlegen und ihrer Gedenken, dann sollten unsere Gedanken auch bei allen anderen sein - allen Völkern, welche von Kriegen heimgesucht worden sind und werden.
 
Nutzen wir diesen Moment und den Hintergrund des Volkstrauertages um auch einen Augenblick innezuhalten - im stillen Gedenken und der Verbundenheit!